inside/outside im Progr: Margrit Roth / Gabor Dios / Philippe Saxer – «Seelenwäsche»

Ausstellung vom 15. Juli 2022 bis 3. September 2022

Margrit Roth – Gabor Dios – Philippe Saxer

«Seelenwäsche»

Wenn einem Herkömmliches nicht (mehr) genügt, müssen andere Darstellungsweisen gefunden werden: Formen können auf vielfältige Art verändert werden, ohne dass dabei ihr Bezug zum Standard des Körpers, der Sprache oder der Musik gänzlich verloren geht. Der Betrachter kann sie so trotz aller Abweichung als eine Art von variierter Wiederholung und Beispiele von etwas vielleicht nur entfernt Bekanntem verstehen.

Bei Phillip Saxer wird diese Entfremdung von Gewohntem dadurch erreicht, dass neben vielen anderen Arten der Verzerrung manches übermässig hervorgehoben und damit in seiner Wichtigkeit, Eigenartigkeit und oft auch Bedrohlichkeit betont wird, so z.B. die Augen bei den Gesichtern, die manchmal ohne Iris blicklos sind.

Gabor Dios arbeitet zwar mit Wörtern einer bekannten Sprache, doch sie dienen im eigentlichen Sinn nicht mehr als Zeichen. Diese Funktion haben sie eingebüsst, weil sie aus einem syntaktischen und syntagmatischen Zusammenhang herausgelöst sind und oft unklar bleibt, auf welche Wirklichkeit sie sich beziehen.

Margrit Roth giesst ihre Figuren in immer neue Posen. Diese sind so formbar, weil ihnen offenkundig ein Skelett fehlt, das sie in ihrer Elastizität begrenzen, aber eben auch einen Halt geben würde. Man versteht, dass hier das Innere nach aussen gekehrt ist und auf diese Weise einer geübten Seelenwäsche unterzogen wird.

Der fast gänzliche Verzicht auf zeichnerische und sprachliche Konventionen bei allen drei Gestaltenden ist radikal und gleichzeitig frei von jeder Beliebigkeit. Die Arbeiten setzen weder einen narrativen noch einen gestalterischen Plan voraus und sie verfolgen auch kein Ziel. Sie entstehen vielmehr aus dem momentanen Einfall und ihre Berechtigung besteht im Vergehen der Zeit, die benötigt wird, sie herzustellen. Dies ist auch der Eindruck, den man gewinnt, wenn man Saxer beim fast manisch-seriellen «Bezeichnen» von Blatt um Blatt über die Schultern schaut (Video). Oder wenn man Dios in seinem Keller sieht, wie er selbstversunken Wand um Wand mit Schriftzeichen füllt. Auch bei Margrit Roth hat die Abfolge Slim-ähnlicher Gestalten einen meditativen Charakter.

Der Betrachter kann – seinem Naturell folgend – nicht anders, als zu versuchen in all dem einen Sinn zu finden. Er wird bei Roth und Saxer wohl vor allem das sich wiederholende Ringen um einen gültigen Ausdruck der eigenen Befindlichkeit erkennen. Bei Dios ist diese Befindlichkeit die lingustische Verstörung, in der er sich von Moment zu Moment anhaltend stabil eingerichtet hat.

Info

Das Psychiatrie-Museum inside / outside und der kulturpunkt befinden sich im Erdgeschoss-Westflügel des PROGR Bern (West Raum 009) an der Speichergasse 4, 3011 Bern